Die Telegrafie
Die politische und wirtschaftliche Entwicklung des 19. Jahrhunderts löste ein wachsendes Informationsbedürfnis aus. Schnelle Kommunikationsmittel wie die Telegrafie wurden entwickelt. In den 1830er Jahren war die Nutzung zunächst weitgehend auf militärische Zwecke beschränkt. Werner von Siemens (1816-1892) hielt die Telegrafie für "eine eigene, wichtige Branche der wissenschaftlichen Technik". Im Jahr 1846 verbesserte Siemens einen von Charles Wheatstone (1802-1875) konstruierten Telegrafen. Der Feinmechanikermeister Johann Georg Halske (1814-1890) baute nach Siemens' Zeichnungen einen Zeigertelegrafen.
In dem Video stellen wir einige Exponate vor, die auch in den nachfolgenden Texten ausführlicher beschrieben werden.
Der Zeigertelegraf
Der Zeigertelegraf von Werner von Siemens ermöglichte eine schnellere und zuverlässigere Übermittlung der Nachrichten als andere zeitgenössische Modelle. Sende- und Empfangsapparat waren identisch aufgebaut und miteinander synchronisiert. Auch die Bedienung war leichter, da die Nachrichten nicht mit dem Morsealphabet kodiert werden mussten.
Die Nummernscheibe des Telegrafen besteht aus 30 Tasten, die kreisförmig angeordnet sind. Die Tasten sind mit Buchstaben, der zugehörige Innenkreis ist mit Zahlen versehen. Nach Schließen des Stromkreises starten Sender und Empfänger gleichzeitig. Der Antrieb erfolgt durch Elektromagnete mit Selbstunterbrechung, die den Zeiger rotieren lassen. Das gewährleistet eine Synchronisierung von Sender und Empfängergerät. Wenn eine Taste gedrückt wird, wird der Zeiger der Sendestation mechanisch blockiert und der Stromkreislauf wird unterbrochen. Dadurch erreicht man, dass der Zeiger der Empfangsstation an der gleichen Stelle stehenbleibt. Das gewünschte Zeichen ist damit übermittelt. Nach Loslassen der gedrückten Taste setzen sich die Zeiger von Sender und Empfänger wieder in Bewegung und ein weiteres Zeichen kann übermittelt werden.
Der Eisenbahntelegraf
Der Kurbelinduktor mit Doppel-T-Anker brauchte im Gegensatz zu Vorgängermodellen keine Batterien mehr für die Stromversorgung. Der benötigte Strom wurde durch das Drehen der Kurbel beim Telegrafieren selbst erzeugt. Das machte den Telegrafen sehr wartungsarm, jederzeit nutzbar und ortsunabhängig.
Zum ersten Mal wurde der Doppel-T-Anker in den von der Bayerischen Staatsbahn in Auftrag gegebenen Telegrafen eingesetzt. Andere Eisenbahngesellschaften folgten. Deshalb ging dieser robuste und unempfindliche Telegraf als „Eisenbahntelegraf“ in die Technikgeschichte ein.
Der Reliefschreiber
Im Sommer 1848 entstand zwischen Berlin und Frankfurt auf einer Strecke von 500 Kilometern die bis dahin längste Telegrafenverbindung in Europa. Der Hintergrund war politischer Natur: In der Frankfurter Paulskirche tagte die Deutsche Nationalversammlung und Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), seit 1840 König von Preußen, wollte regelmäßig über die Beratungen des ersten deutschen Parlamentes unterrichtet werden. Bereits wenige Jahre später hatte sich in Deutschland ein weit verzweigtes Netz von Telegrafenlinien ausgebreitet.
Reliefschreiber - wie links zu sehen - nutzten das Morsealphabet und dokumentierten die Nachrichten auf Paper. Sie waren bis zu sechsmal leistungsfähiger als ein Zeigertelegraf.
Das Telegrafenkabel
Zum Schutz vor Beschädigungen wurde das Reichs-Telegrafenkabel innerhalb des Stadtgebietes von Hannover in solchen 34cm langen Schutzrohren geführt.
Das Transatlantikkabel
1873 bestanden drei transatlantische Telegrafenverbindungen zwischen Europa und den USA. Der Bedarf an Nachrichtenverbindungen zwischen alter und neuer Welt stieg ständig. Die vorhandenen Kapazitäten reichten dafür nicht mehr aus.
Anfang der 1870er Jahre wurde die Idee an Werner von Siemens herangetragen, ein eigenes Transatlantikkabel zu verlegen. 1873 wurde zu diesem Zweck die „Direct United States Cable Company“ gegründet. Die Route des neuen Transatlantikkabels verlief von Ballinskelligs an der westirischen Küste über Torbay in Kanada nach Rye Beach in den USA. Das Kabel hatte eine Länge von 5.741 Kilometern. Am 15. September 1875 wurde die Linie in Dienst gestellt. Die Nachrichtenübertragung funktionierte fehlerfrei und war über eine Stunde schneller als die der bestehenden Verbindungen.
Das Galvanoskop
Galvanoskope oder Galvanometer sind empfindliche Instrumente zur Messung und zum Nachweis schwacher elektrischer Ströme und Spannungen. Damit begann bereits im Jahr 1820 die Geschichte der elektrischen Messtechnik. Auch die Firma Siemens & Halske baute solche Messinstrumente.
Die Indo-europäische Telegraphenlinie
Die zuverlässige und schnelle Übertragung von Nachrichten gewann ab Mitte des 19. Jahrhunderts stark an Bedeutung. Die Anbindung weit entfernter Kolonien an die Märkte in Europa war ein Bedürfnis der wachsenden Volkswirtschaften.
1865 existierten zwei telegrafische Verbindungen zwischen Großbritannien und der Kronkolonie Britisch-Indien. Diese bestanden aus mehreren Einzellinien, was an den Schnittstellen „Umtelegrafieren“ der Nachrichten erforderte. Daraus resultierte eine hohe Fehlerquote. Hinzu kamen häufig technische Störungen der Verbindungen. Im Ergebnis erreichten die Telegramme ihre Empfänger oft unvollständig.
Ab 1865 entwickelte Werner von Siemens gemeinsam mit seinen Brüdern Carl und Wilhelm den Plan, eine Telegrafenlinie mit einheitlicher technischer Ausstattung zu bauen. Auf der Strecke London-Kalkutta, sollte nur noch ein „Umtelegrafieren“ in Teheran nötig sein.
Kabel, eiserne Telegrafenmasten und die benötigten Apparate stammten von den Siemens-Werken. Das Vertikalgalvanoskop wurde für den Einsatz an der Indo-europäischen Telegrafenlinie hergestellt. Es diente zur Kontrolle der Stromstärke in den Telegrafenleitungen.
Die Linie wurde nach nur zwei Jahren Bauzeit fertiggestellt. In technischer Hinsicht war sie eine große Pionierleistung. Das erste Telegramm aus London erreichte Kalkutta am 12. April 1870. Es benötigte für die 11.000 Kilometer lange Strecke nur 28 Minuten.